Monday, June 24, 2013

Krach in der EU über Türkei-Beitrittsgespräche


Bis die Türkei zur EU gehört, dürften noch Jahre vergehen / Bild: WB/Eizinger


Angesichts der diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei setzt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen "offenen und vertrauensvollen Dialog".

Brüssel/Luxemburg.  Deutschland will den Streit in der Europäischen Union über die Beitrittsgespräche mit der Türkei durch einen Formelkompromiss beilegen. Außenminister Guido Westerwelle schlug seinen Amtskollegen am Montag in Luxemburg vor, den nächsten Schritt in den Verhandlungen zu befürworten, ihn aber offiziell erst im Herbst statt an diesem Mittwoch zu vollziehen. Die Entscheidung über die Eröffnung eines weiteren Beitrittskapitels soll am Dienstag fallen, sie müsste einstimmig sein. Bis Montagnachmittag war keine Einigung in Sicht.
Deutschland, die Niederlande und Österreich sind nicht ohne Weiteres dazu bereit, nach dem harten Vorgehen der Regierung in Ankara gegen Demonstranten die seit drei Jahren ruhenden Beitrittsverhandlungen wiederzubeleben. Schweden, Luxemburg und die meisten anderen EU-Staaten halten es dagegen für einen Fehler, der Regierung in Ankara mit einer Blockade der Verhandlungen vor den Kopf zu stoßen.
Diplomaten zufolge würde die EU nach dem Vorschlag Westerwelles das Öffnen eines weiteren Verhandlungskapitels politisch befürworten. Die dazu notwendige Beitrittskonferenz soll aber erst im Herbst abgehalten werden, nachdem die EU-Kommission im Oktober einen neuen Fortschrittsbericht über die EU-Reife des Landes vorgelegt hat. Österreich unterstützt den Vorschlag. "Wir warten auf ein Signal aus Ankara, dass sie den Menschen in der Türkei ihre Rechte geben", mahnte Außenminister Michael Spindelegger. Sollten die Repressalien gegen Demonstranten, die sich gegen die von der Regierung rigoros durchgezogene Bebauung eines Parks in Istanbul auflehnen, verschlimmern, könnte die Türkei weiter hingehalten werden.
"Auf der einen Seite können wir nicht so tun als hätte es die letzten Tage nicht gegeben, aber gleichzeitig geht es auch darum, die strategisch langfristigen Interessen der EU und der Türkei nicht außer Acht zu lassen", sagte Westerwelle. Eskaliert waren in der vergangenen Woche auch die Spannungen zwischen der deutschen und der türkischen Regierung wegen des gewaltsamen Vorgehens der türkischen Behörden. Bei den seit Wochen andauernden Protesten kamen bereits vier Menschen ums Leben und es gab rund 7500 Verletzte. Die Türkei hatte scharf auf Vorbehalte von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen den Fortgang der Beitrittsgespräche reagiert. Beide Regierungen bestellten gegenseitig ihre Botschafter ein.
"ANDERE OPTIONEN"
Die meisten anderen EU-Staaten wollen allerdings nicht die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen mit der Türkei als Druckmittel einsetzen. Sie befürchten, dass die Regierung in Ankara den Prozess ganz abbrechen könnte. Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn warnte, es sei ein Fehler, die Verhandlungen mit der Türkei nicht wiederzubeleben. Darunter hätte die Bevölkerung in der Türkei zu leiden. "Die Türkei hat auch noch andere Optionen", drohte der türkische Europaminister Egemen Bagis in der "Süddeutschen Zeitung". Die türkische Polizei war am Wochenende in Istanbul erneut mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vorgegangen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nannte die Demonstranten Terroristen und Gesindel.
Wie die Mehrheit der EU-Staaten setzt auch der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz darauf, in der Türkei demokratische Veränderungen mit weiteren Verhandlungen zu fördern. Er schlug vor, nicht nur das jetzt geplante Kapitel zu Regionalpolitik, sondern auch das zu Grundrechten zu eröffnen. "Dann müsste die Türkei auch das Demonstrationsrecht europäischen Standards anpassen", sagte er Reuters. Mit seiner Meinung ist der Christdemokrat allerdings in seiner Partei, die einen Beitritt der Türkei ablehnt, in der Minderheit.
Etliche Beobachter vermuten, dass der Bundestageswahlkampf Merkel zur Drohung mit einer Blockade der Verhandlungen bewegt hat. Der schwedische Außenminister Carl Bildt mahnte, nicht auf kurzfristige Vorteile aus zu sein. "Wir können nicht die Strategie der Europäischen Union ändern, nur weil es Nervosität in der ein oder anderen Ecke gibt", sagte er.
(Reuters)

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